Thoya Küster ist ein Hamburger Sporttalent 2022!

Am Donnerstagabend (6.10.) ist unsere Blindenfußballerin Thoya Küster zu Hamburgs weiblichen Sporttalent 2022 gekürt worden.

Foto: Oke Göttlich

Im Rahmen des 15. Blindenfußball-Masters finden Anfang Oktober 2022 erstmals überhaupt Wettkampfspiele zwischen Blindenfußball-Frauenteams in Deutschland statt. Mit dabei ist auch die 16-jährige Thoya Küster. Sie spielt eine zentrale Rolle im FCSP-Frauenteam, das im Januar 2022 offiziell gegründet worden ist. Keine 60 Sekunden sind im Hinspiel gegen das Frauenteam des SC Schiltigheim vorbei, da erzielt sie nach einem dynamischen Dribbling per Flachschuss ins rechte untere Eck auch schon das erste Tor. Dabei soll es aber nicht bleiben: Thoya erzielt auch die beiden weiteren Treffer zum 3:0-Endstand und legt im Rückspiel am Sonntag (2.10.) noch einen Doppelpack zum 2:0-Erfolg nach.

Dennoch blickt Thoya mit gemischten Gefühlen auf die erfolgreiche Premiere zurück: „Einerseits ist es traurig, dass es erst im Jahr 2022 zu diesen Spielen gekommen ist. Andererseits war es einfach richtig toll, dass wir die erste Frauenspiele in Deutschland bestritten haben. Das war unglaublich und hat richtig Spaß gemacht.“ Wer beim Masters vor Ort war oder den Livestream auf dem YouTube-Kanal unserer Blindenfußballabteilung verfolgt hat, dem wird nicht entgangen sein, mit welcher Leidenschaft die 16-Jährige dabei ist und mit welcher Spielfreude sie über den Platz rennt, dribbelt, ihre Mitspielerinnen immer wieder mit cleveren Pässen in Szene setzt und natürlich Tore schießt. Die Freude am Spiel zeigt sich in jeder Sekunde in ihrem Gesicht, das Lächeln wird sie scheinbar nie los – und das ist ansteckend. Der Funke springt über die Bande, als Zuschauer*in wird man von eben dieser Spielfreude angesteckt.

Blindenfußballerin Thoya Küster mit Ball am Fuß.

Den Ball am Fuß, ein Grinsen im Gesicht – ein typische Szene, wenn Thoya Küster Fußball spielt.

Rückblick: Als Neunjährige macht sich die unweit des Stadtparks aufgewachsene Thoya mit ihrer Mutter Antje auf den Weg zum Borgweg. Dort wird sie mit offenen Armen empfangen. „Ich habe immer nach einer Sportart gesucht, habe von der Blindenfußballabteilung gehört und wollte es mal ausprobieren. Alle sind auf mich zugekommen und haben sich vom ersten Tag an sehr viel Zeit für mich genommen. Dann bin ich geblieben“, sagt sie heute. Bis heute wohnt Thoya noch nahe des Stadtparks – und seit inzwischen sieben Jahren spielt sie nun schon Fußball beim FC St. Pauli. Von dem einst „zurückhaltenden und schüchternen Mädchen“ ist laut Blindenfußball-Trainer Wolf Schmidt eine „selbstbewusste junge Frau“ geworden. Welchen Anteil daran der Blindenfußball hat, kann er nicht beziffern. Schmidt ist sich aber sicher, dass die im Blindenfußball verlangte Körperlichkeit mit vielen Zweikämpfen Thoyas persönlicher Entwicklung sicherlich nicht geschadet hat.

Sportlich wiederum hat sich Thoya, die wie ihre Mutter Fan von Jan-Philipp Kalla ist und deshalb auch die Rückennummer 27 trägt, in all den Jahren unglaublich entwickelt. So beschreibt Blindenfußball-Keeper Sven Gronau die 16-Jährige als sehr ehrgeizig und lernwillig – und extrem treffsicher: „Es kommt immer wieder vor, dass ich im Training mehr Bälle von Jonathan Tönsing halte als von ihr. Sie hat eine richtig gute Technik, bei uns im Team ist sie nicht nur die beste Passspielerin, sie nimmt Pässe auch am besten an“, lobt Gronau Thoya, die seit ihrem 13. Lebensjahr für den FC St. Pauli in der Blindenfußball-Bundesliga spielt. In der gemischten aber von Männern dominierten Sportart ist sie die einzige Frau, die in der Bundesliga einen Stammplatz hat. Mit dem FC St. Pauli feiert sie im Oktober 2021 ihre erste Deutsche Meisterschaft. In der Saison 2022 kommt sie in allen Bundesliga-Spielen zum Einsatz. So auch beim 4:0-Erfolg gegen den MTV Stuttgart, durch den das Blindenfußballteam des FC St. Pauli seinen Titel aus dem Vorjahr erfolgreich verteidigt und zum insgesamt dritten Mal die Deutsche Meisterschaft feiert.

Das Blindenfußball-Team bejubelt den Gewinn der Deutschen Meisterschaft 2022 auf dem Kölner Roncalli-Platz.

Mitte September feiert unser Blindenfußballteam die Deutsche Meisterschaft, im entscheidenden Spiel kommt auch Thoya Küster (in der Mitte mit der Nummer 27) zum Einsatz.

Auch über die Grenzen Deutschlands hinaus sorgt Thoya in diesem Sommer für Furore. Beim „No look Cup“, dem ersten europäischen Frauenturnier für Vereinsteams, das im August in Wien ausgetragen wird, erzielt Thoya nicht weniger als 13 Treffer gegen Teams aus Österreich und Schweden. Mit dem FCSP-Frauenteam feiert sie nicht nur den Turniersieg, sondern sichert sich auch die Trophäe der Torschützenkönigin. Bereits im Juni führt sie im italienischen Pescara das deutsche Nationalteam bei der ersten Blindenfußball-Europameisterschaft für Frauen zum EM-Titel. Bei den beiden 4:0-Siegen in den beiden Endspielen gegen England erzielt Küster alle acht Tore und wird als beste Spielerin der EM ausgezeichnet.

Das deutsche Frauen-Nationalteam bejubelt den Gewinn des EM-Titel, auf dem Teamfoto ist Thoya Küster unten links zu sehen.

Bei der erstmals ausgetragenen Frauen-EM bejubelt das deutsche Team um Thoya Küster (unten links mit der Nummer 10) im Juni den EM-Titel.

Ihre eigene Leistung ist für sie dabei Nebensache. „Es war das allererste Mal, dass wir gegen ein Frauenteam gespielt haben. Ich habe acht Jahre immer nur gegen Männer gespielt, dieses Jahr dann endlich auch mal gegen Frauen. Das war richtig toll“, so Thoya, die sich für die Zukunft vor allem eines wünscht: „Ich würde es toll finden, wenn es in Deutschland auch in verschiedenen Städten Frauenteams gibt. Ich bin mir sicher, dass es viele Frauen gibt, die auch Blindenfußball spielen wollen, aber davon abgeschreckt sind, dass da nur Männer spielen.“

Was macht ihr aber mehr Spaß – das Spielen mit Männern oder mit Frauen? Thoya, die im Frauenteam aufgrund ihres Talents und ihrer Erfahrung eine Führungsrolle übernimmt, hat darauf eine klare Antwort: „Beides macht mir gleich viel Spaß.“ Und der ist ihr jedes Mal anzusehen, wenn sie auf dem Platz steht. „Blindenfußball ist für mich ein Gefühl von Freiheit, weil ich mich auf dem Platz komplett frei bewegen kann“, sagt sie. „Wenn man dann beim Spielen auch noch erfolgreich spielt, ist es ein unbeschreibliches Gefühl.“

(hb/sh)

Portrait auf der FCSP-Seite: https://www.fcstpauli.com/news/blindenfussballerin-thoya-kuster-hamburgs-sporttalent-2022-im-portrait/

Weiterer Beitrag im Hamburger Abendblatt:

https://www.abendblatt.de/sport/article236608959/hamburger-talente-blindenfussballerin-auf-spitzenplatz-sport-hamburg.html