Joni & Rasmus im Interview

Hamburg, 11. Mai 2013. Auf einem Kunstrasenspielfeld stehen zwei junge, schmächtig wirkende Jugendliche. Ihre Namen sind Rasmus Narjes und Jonathan Tönsing. Die beiden spielen für ihr Leben gerne Fußball, es ist nicht nur ihr Hobby, sondern ihre Passion. Erst einmal nichts Besonderes könnte man meinen. Die beiden sind zu diesem Zeitpunkt 13 Jahre alt und spielen nicht für irgendeinen Hamburger Vorortclub, sondern für DEN „Kiezclub“  schlechthin, den FC St. Pauli. Auch dieser Fakt ist nicht verwunderlich, versuchen doch viele Kinder in diesem Alter ihren Traum, Fußballprofi zu werden bei solchen Clubs zu verwirklichen, wohl erst recht jetzt, nachdem der Weltmeistertitel nach schier endlos wirkenden 24 Jahren wieder in deutschen Händen ist. Jonathan und Rasmus unterscheiden sich jedoch von der breiten Masse an Fußballern in ihrem Alter…sie spielen bereits Bundesliga! Sie stehen auch nicht auf irgendeinem x-beliebigen Kunstrasenspielfeld, die es in Hamburg zur Genüge gibt. Sie stehen mitten auf dem Hamburger Rathausmarkt, hinter ihnen eine brechend volle Zuschauertribüne. An den Banden des Spielfeldes stehen die Menschen dicht gedrängt in Zweier- und Dreierreihen, nur um einen Blick auf die heimischen „Kiezkicker“ zu erhaschen. Die Mannschaft des FC St. Pauli spielt sich gerade warm, man hört Kommandos, Anweisungen und Zurufe vom Mannschaftscoach Wolf Schmidt. Sitzt man auf der Tribüne, kann man eine atemberaubende Kulisse wahrnehmen: Links ist durch eine breite Häuserschlucht der Hamburger „Telemichel“ zu erkennen, ein Stück weiter rechts die Alsterarkaden mit der Binnenalster im Vordergrund. An der Bande gegenüber der Zuschauertribüne läuft gerade Uwe Seeler und betrachtet die Leistungen der Spieler…Jonathan und Rasmus allerdings sehen von alldem…NICHTS!

Es ist der erste Spieltag der Blindenfußball Bundesligasaison 2013. Die DFB-Stftung Sepp Herberger, der Deutsche Behindertensportverband und der Deutsche Blinden- und Sehbehindertenverband tragen diese Spieltage der blinden Bundesligakicker ganz gezielt auf zentralen, öffentlichen Plätzen mitten in der Stadt aus. Unter dem Motto „Mit Fußball in die Mitte der Gesellschaft“, soll allen Menschen gezeigt werden, zu welchen sportlichen Höchstleistungen sehbehindert und blinde Menschen in der Lage sind…Jonathan und Rasmus sind gleich, ab 11 Uhr, der Mittelpunkt dieses Spieltags.

Heute, mehr als ein Jahr später schauen Jonathan und Rasmus, die beim Finalspieltag im September in Stuttgart einstimmig zu den besten „Newcomern“ gewählt wurden, gemeinsam auf ihren ersten Bundesligaeinsatz in ihrem „Wohnzimmer“ Hamburg zurück und sprechen über ihre Zukunftspläne, Träume und Hoffnungen.

 

Rasmus und Jonathan erhalten von Wolfgang Niersbach den Preis als Newcomer des Jahren

Jonathan (links) und Rasmus wurden in Stuttgart zu den besten Newcomer der Saison 2013 gekürt. Foto: Carsten Kobow

 

Jonathan, Rasmus, inzwischen ist mehr als ein Jahr vergangen, seitdem ihr euren ersten Bundesligaeinsatz im Team vom FC St. Pauli bestritten habt. Welche Erinnerungen verbindet ihr mit dem 11. Mai 2013?

 

Jonathan: Wir hatten ja bereits vor dem 11. Mai 2013 unseren ersten Einsatz beim Vereinsspieltag im April in Braunschweig. Aber der Stadtspieltag in Hamburg war natürlich trotzdem etwas ganz Besonderes. Es waren so viele Zuschauer da, die für uns waren, viele Verwandte, Freunde und Fans…das war schon klasse! Und wir haben unseren ersten Punkt gegen Braunschweig geholt!

 

Rasmus: Für mich war der Stadtspieltag in Hamburg der erste Spieltag vor richtig großem Publikum. Ich hatte zwar, wie Jonathan auch, bereits meinen ersten Bundesligaeinsatz beim Spieltag in Braunschweig im Monat zuvor, Hamburg war allerdings ein wirklich sehr aufregender und emotionaler Spieltag, auch weil viele Verwandte und Freunde von mir persönlich da waren, um mich und uns zu unterstützen. Das ist schon Gänsehaut pur, wenn so viele Zuschauer auf dem Rathausmarkt die Spiele verfolgen! Für mich war eine ganz besondere Ehre, dass ich sogar durchspielen durfte. Wichtig ist dennoch, dass man auch bei einer solchen Kulisse absolut fokussiert auf seine Aufgabe bleibt…und die ist eben das Spiel und möglichst der Sieg.

 

Wenn ihr noch etwas weiter zurückdenkt, wie seid ihr beiden eigentlich zum Blindenfußball gekommen?

 

Jonathan: Ich besitze eine Dauerkarte für die Bundesligaspiele unserer Jungs in der 2. Bundesliga. Ich sitze dann immer auf den Plätzen für sehbehinderte Menschen, auf denen Wolf Schmidt die Spiele kommentiert. Irgendwann hat dieser mich mal, während eine Bundesligaspiels gefragt, ob ich nicht Lust hätte, selbst Fußball zu spielen. Ich habe dann zwei Freunde mitgenommen und wir sind zum Blindenfußballtraining gegangen. Irgendwann gingen wir immer öfter dorthin und sind jetzt fest integriert.

 

Rasmus: Das ist bei mir persönlich eine lange Geschichte. 2008 gab es ein Treffen in Hannover, bei dem Reden und Vorträge zum Blindenfußball gehalten wurden. Zudem wurden viele Filme gezeigt . Dies hat mein Interesse absolut geweckt, sodass ich dann 2009 begonnen habe im Emsland mit einer Trainingsgruppe aus 4 Leuten zu trainieren. Da sich diese Trainingsgruppe irgendwann aufgelöst hat, trainierte ich erst in Braunschweig und wechselte dann im Dezember 2012 nach Hamburg zum FC St. Pauli. Dort hat mich mein jetziger Trainer, Wolf Schmidt, zu dem gemacht, was ich jetzt bin. Ich habe mich dort speziell im Dribbling stark weiterentwickelt und lerne bei jedem Training etwas Neues dazu.

 

Inzwischen seid ihr in eurer Mannschaft schon feste Größen, die bei fast jedem Spiel zum Einsatz kommen. Ihr habt zudem schon sehr viele Erfahrungen im Blindenfußball gesammelt. Was würdet ihr sagen, was den Blindenfußball so interessant und einzigartig macht?

 

Jonathan: Einzigartig ist auf jeden Fall die Kommunikation zwischen sehenden und blinden Menschen. Auf dem Feld wird so viel kommuniziert, gerufen und dirigiert, dass es einfach atemberaubend ist, dass dieser Sport dann so funktioniert. Ich finde aber auch, dass die gute Stimmung zwischen allen etwas ganz Besonderes ist. Wir sind Konkurrenten auf dem Platz, da kann es auch schonmal sehr emotional werden, aber eben auf einer sehr fairen und sportlichen Ebene.

 

Rasmus: Ich finde, dass der Blindenfußball interessant und bewundernswert ist, da man viele Dinge, von denen man als sehender, aber auch als blinder Mensch glaubt, dass sie sportlich nicht möglich sind, spielerisch lösen kann. Zudem finde ich, dass ein besonderer Reiz darin liegt, dass blinde und sehende Menschen zusammenspielen, dieser Sport also absolut inklusive ist. Speziell in unserem Team haben wir einen tollen Zusammenhalt, sodass wir Freud und Leid immer teilen, egal ob bei einem Sieg, oder einer Niederlage. Dieses Teamfeeling ist einzigartig und etwas ganz Besonderes. Für mich persönlich ist das freie Bewegen noch eine große Gabe und sehr wichtig!

 

Wenn wir nun auf die gesamte Spielzeit 2013 zurückschauen. Was war euer ganz persönliches Highlight?

 

Jonathan: Für mich gibt es eigentlich nicht DAS Highlight im Speziellen. Für mich war meine erste Saison insgesamt ein großes Highlight. Wenn ich allerdings zurückdenke an die Ehrung zum besten Newcomer in Stuttgart, dann war das schon ein toller Moment. Man darf diesen Moment aber nicht zu lange auskosten, da man dann in der nächsten Saison viel zu viel will und unbedingt zeigen möchte, dass noch mehr geht…oftmals geht das dann schief.

 

Rasmus: Ich hatte mein ganz persönliches Highlight in Düren. Dort haben wir als Team den ersten Ligasieg eingefahren, bei dem ich selbst mitspielen durfte. Ich weiß noch genau…wir haben damals 1:0 gewonnen. Wenn man das erste Mal siegt, dann sieht man eben auch, dass sich die ganze, teilweise sehr harte Arbeit gelohnt hat. Nach dem Abpfiff war nur noch pure Erleichterung und Freude im gesamten Team zu spüren. Ich persönlich war da emotional total aufgepusht und habe mich riesig gefreut! Ein weiteres Highlight war allerdings auch die Auszeichnung als bester Newcomer der Saison 2013. Damit hätte ich nie gerechnet, da ich zu diesem Zeitpunkt verletzt war.

 

Ihr habt es gerade schon angesprochen: Ihr wurdet beim Finalspieltag in Stuttgart 2013 zu den besten Newcomern gewählt und habt die Pokale von DFB-Präsident Wolfgang Niersbach vor einer großen Zuschauerkulisse in Empfang genommen. Sicherlich ein großer Moment in eurer Karriere, aber auch persönlich, oder?

 

Jonathan: Natürlich war das wie gesagt ein toller Moment. Das zeigt, dass du auch für deine harte Arbeit belohnt wirst und gibt dir selbst eine positive Rückmeldung. Aber wie gesagt, sowas kann motivieren, aber auch ganz schnell in Druck ausarten, sodass man dann unbedingt zeigen will, dass es noch besser geht. Und ja,…man sieht ja auch im sehenden Fußball dass das oftmals schief geht.

 

Rasmus: Wie schon gesagt, ich habe überhaupt gar nicht mit der Auszeichnung gerechnet, da ich verletzt war. Natürlich war das eine tolle Erfahrung, ein großer Moment und eine riesige Ehre von Wolfgang Niersbach den Pokal entgegen zu nehmen. Aber ehrlich gesagt, habe ich diesen Erfolg schnell wieder abgehakt, da der Gedanke an einen solchen Erfolg auch schnell in Druck ausarten kann und man sich selbst zu sehr überfordert. Für mich zählt nur das nächste Spiel!

 

Noch in diesem Jahr wird die Blindenfußball-WM in Tokio stattfinden. Habt ihr die Möglichkeit, die Spiele live zu verfolgen?

 

Jonathan: Mal schauen, soweit denke ich noch gar nicht. Aber Informationen dazu werde ich mir sicherlich irgendwie schon holen. Es wäre natürlich toll, wenn Serdi (Serdal Celebi) dabei wäre, auch wenn er momentan nur im erweiterten Kader steht. Für uns alle wäre das natürlich toll, wenn er seine Erfahrungen dann ins Team einbringen kann.

 

Rasmus: Dazu habe ich mir ehrlich gesagt auch noch gar keine Gedanken gemacht. Ich hoffe allerdings auch, dass Serdi dabei ist. Das wäre für das ganze Hamburger Team ein toller Erfolg und wir würden ihm alle die Daumen drücken. Serdi hat absolut das Zeug dazu nach Japan zu reisen!

 

Wenn ihr die Spiele dann akustisch verfolgt und mit der Nationalmannschaft fiebert, weckt diese Anspannung bei euch auch den Reiz, irgendwann einmal für die Blindenfußball-Nationalmannschaft zu spielen?

 

Jonathan: Klar! Das wäre schon toll! Die Nationalmannschaft ist das Höchste, was du im Blindenfußball erreichen kannst. Wenn mich der Bundestrainer anruft und sagt, dass ich dabei bin, würde ich nicht „Nein“ sagen (lacht). Aber ich sehe das eigentlich entspannt…was kommt das kommt.

 

Rasmus: Für mich ist die Nationalmannschaft überhaupt kein Ziel. Wenn ich nur dieses Ziel vor Augen hätte, dann würde ich mir selbst nur noch Druck machen. Wenn ich irgendwann einmal für die Nationalmannschaft spielen sollte, dann ist das etwas Besonderes! Ich würde mich natürlich freuen, wenn es klappt, aber ich setze mich nicht unter Druck.

 

À propos Nationalmannschaft…Deutschland ist gerade Fußballweltmeister geworden. Wie habt ihr eigentlich die Spiele in Brasilien verfolgt?

 

Jonathan: Ich habe die Spiele mit meiner Familie und Freunden angeschaut.

 

Du hast die Spiele angeschaut?

 

Jonathan: Klar! Ich habe ja noch ein bisschen Restsehvermögen. Ich schaue mir die Spiele immer gerne an, weil das Fußballfeeling dann noch ein bisschen besser ist. Klar, man kann diese Spiele auch im Radio anhören, da ist die Beschreibung, was gerade auf dem Feld passiert, sogar noch viel besser, als im Fernsehen. Aber ich schaue Fernsehen, solange ich es noch kann.

 

Und du Rasmus?

 

Rasmus: Ich schaue die Spiele, indem ich sie höre. Ich verstehe die Fernsehreporterüberhaupt nicht, wenn sie Spiele kommentieren, da sie die Spielsituationen viel zu schlecht beschreiben. Also höre ich diese lieber im Radio. Dort beschreiben die Kommentatoren alles sehr genau und detailliert, da kann ich mir ein super Bild von allem machen. Witzig istübrigens, dass ich schon 3-4 Sekunden früher Weltmeister war als alle anderen, da die Radioübertragung viel schneller ist, als die TV-Übertragung (lacht)!

 

In der Blindenfußball Bundesliga kann man zwar kein Weltmeister werden, aber dennoch könntet ihr den Deutschen Meistertitel mit dem FC St. Pauli erkämpfen. Ist dies momentan euer Ziel mit dem Team, oder sind die Ziele innerhalb der Mannschaft gerade anderweitig gesteckt?

 

Jonathan: Naja, wenn man mal sieht, dass andere Teams, wie zum Beispiel Stuttgart oder Marburg schon ewig zusammenspielen und viel eingespielter sind, als wir, dann haben wir eigentlich eine sehr geringe Chance. St. Pauli hat allerdings eine andere Stärke! Wir sind den anderen Teams darin weit voraus, als dass wir viele junge Spieler haben, die wir langsam aufbauen und an die Bundesliga heranführen. Das haben andere Teams nicht. Klar, wir wollen immer auch gewinnen, aber die Meisterschaft ist nicht direkt unser Ziel. Eher der Spaß am Fußball

 

Rasmus: Auf der Homepage des FC St. Pauli wird die Meisterschaft zwar offiziell als Ziel dieser Saison ausgegeben. Im Team allerdings, da schließe ich mich der Meinung von Jonathan an, ist die Meinung ein klein wenig realistischer. Wir wissen, dass der Spaß im Vordergrund stehen sollte, allerdings heißt das nicht, dass wir uns nicht absolut konzentrieren und fokussiert sind auf jedes Spiel. Wir wollen möglichst jedes Spiel durch unsere gute Technik und den vorhandenen Kampfgeist gewinnen!

 

Rasmus, du bist 14 Jahre alt, dementsprechend körperlich auch noch nicht so weit entwickelt, wie deine Kollegen aus Stuttgart, Marburg oder Dortmund. Fällt es dir schwer, dich körperlich gegen deine Gegenspieler durchzusetzen?

 

Rasmus: Och…ich sehe mich eigentlich auf dem selben Niveau wie alle anderen Spieler auch. Man muss ja nicht unbedingt körperlich stark sein, man kann eine Spielsituation ja auch technisch lösen (grinst). Ich schaffe es eigentlich ziemlich oft, mich durch meine Wendigkeit und technischen Fertigkeiten gegen körperlich stärkere Spieler durchzusetzen. Ich finde, dass ich beispielsweise gegen Spieler wie Michael Wahl, der ein sehr, sehr guter Spieler ist, trotzdem auf Augenhöhe spiele. Trotzdem weiß ich natürlich, dass ich noch mehr Standfestigkeit brauche. Daran arbeite ich momentan im Training verstärkt.

 

Und wie ist das bei dir Jonathan?

 

Jonathan: (Lacht). Wenn ich den Ball habe, dann versuche ich mich eigentlich gar nicht in einen Zweikampf verwickeln zu lassen. Ich weiß, dass ich körperlich nicht so stark bin, wie beispielsweise eine Michael Wahl, oder ein Vedat Sarikaya. Deshalb versuche ich alles technisch und durch meine Dribblings zu lösen.

 

 

In eurem Leben gibt es sicherlich nicht nur Blindenfußball, auch wenn dieser Sport eure Passion ist. Was sind eure ganz persönlichen Ziele für die Zukunft?

 

Jonathan: Ich mache jetzt erst mal die Schule fertig. Dann wäre ein Job, der mir Spaß macht eine tolle Sache, allerdings weiß ich noch nicht genau, was ich später machen möchte. Und Familie…Familie ist immer gut!

 

Rasmus: Meine Ziele sind vor allem, einen tollen Beruf zu finden, der mich weiterbringt und mich erfüllt. Ich möchte gerne in den kaufmännischen Bereich, da bin ich eigentlich ganz gut drin. Zudem wäre es schön, später mal eine tolle Familie zu haben. Vor allem aber möchte ich körperlich weiterhin so aktiv mit anderen Menschen zusammen sein, wie jetzt, das ist das Wichtigste!

 

Wenn man nun mit euch beiden spricht, erweckt das den Eindruck, als seid ihr auch privat sehr gut befreundet, stimmt das? Habt ihr euch beim Blindenfußball kennengelernt, oder kanntet ihr euch schon vorher?

 

Jonathan: Ja, wir haben uns über den Blindenfußball kennengelernt. Wäre dieser Sport nicht gewesen, wären wir heute auch nicht so eng miteinander verbunden. Wir verstehen uns privat wirklich gut und unternehmen auch ab und an gemeinsam etwas. Der Blindenfußball schweißt uns da schon sehr zusammen.

 

Rasmus: Ja, wir sind privat auch sehr gut befreundet! Der Blindenfußball, das stimmt wohl Jonathan, schweißt uns schon zusammen!

 

Rasmus, wir sitzen gerade hier am Spielfeldrand beim Vereinsspieltag in Marburg. Ich merke, dass du mit einem Ohr immer wieder zum Spielfeld hinüber hörst. Kannst du kurz erklären, was gerade passiert, wie sich ein blinder Mensch dieses Spiel gerade vorstellt und wie du auch ohne es zu sehen, jede Spielsituation erfasst?

 

Rasmus: Naja, ich höre eben immer die Rufe der Guides hinter dem Tor und an der Seitenlinie. dadurch kann ich mir einfach schon ein gutes Gesamtbild machen. Ich weiß dadurch ganz genau was auf dem Feld passiert. Ich kann zwar nicht genau beschreiben, wie ein Spieler seinen Gegner gerade ausgespielt hat, ich weiß allerdings immer was auf dem Feld passiert, wer den Ball führt, wo der Ball ist und wer die Tore schießt. Irgendwie ist das alles sehr schwer zu beschreiben

 

Sehende Menschen denken oftmals, dass blinde und sehbehinderte Menschen nur da sitzen und nicht wissen was sie tun sollen. Die Blindenfußball-Bundesliga zeigt eindrucksvoll, dass genau das Gegenteil der Fall ist. Was ratet ihr den Menschen, die nicht Wissen, was Blindenfußball ist und diesen tollen, einzigartigen Sport möglicherweise noch verhöhnen?

 

Jonathan: Diese Menschen sollten nach meiner Ansicht besser aufpassen (lacht)! Spaß beiseite…wenn diese Menschen den Fußball schlecht machen, dann würde ich ihnen raten, erst einmal selbst Blindenfußball zu spielen. Vielleicht haben sie danach mehr Respekt vor dieser Sportart. Ich habe zwar irgendwie schon Verständnis für diese Menschen, weil eben der Blindenfußall noch nicht so populär ist, aber wenn sich die Menschen die Spieltage anschauen würden, entwickelt sich sicherlich mehr Respekt. Ich fände es zum Beispiel auch gut, wenn bei Freundschaftsturnieren versucht wird, die Sportart inklusiv zu öffnen. Da muss sich dann aber jeder auch an die Regeln halten! In der Liga ist eine solche Öffnung eher schwer realisierbar.

 

Rasmus: Naja, irgendwie habe ich schon Verständnis für solche Menschen. Die kennen ja diese Sportart nicht und wissen gar nicht was da so passiert und wie toll dieser Sport ist. Ich rate solchen Leuten auch immer, dass sie doch einen Spieltag mal selbst erleben, oder bei einem Training mithelfen sollen. Ich kann nur sagen: Es lohnt sich absolut! Erst danach kann man nach meiner Auffassung ein richtiges Verständnis für diesen Sport entwickeln. Ich persönlich finde zum Beispiel auch eine stärkere Öffnung der Sportart sehr gut! Ich bin der Meinung, dass die Chancengleichheit auch weiterhin gegeben wäre. Die sehenden Menschen würden ja eine sehr gute Technik mitbringen, da sie sich alles noch besser vorstellen können, die blinden Menschen wiederum haben andere Stärken. Das macht diesen Sport so einzigartig. 

 

Das Interview erschien auf der facebook-Seite von blindenfussball.de

Vielen Dank!